Dienstag, 6. Oktober 2015

Der Herr Übersturz

Da steht man da, wieder einmal, diesmal etwas älter dennoch nicht reifer.

Man lernt ein weiteres Mal den Mann fürs Leben kennen und denkt sich diesmal ist er es. Er ist toll und er ist genau der Mann den man sich schon immer gewünscht hat.
Das Sein mit ihm entspricht so gar nicht mehr das eigene Sein, es fühlt sich unheimlich gut an, endlich das Leben leben zu können wie man es sich schon immer wünschte. Ein Mann, der eine Frau aus dem Schneckhaus holt, was durch die unzähligen Liebschaften davor entstanden ist. Man vergisst alles gelernte, alle gesellschaftlichen Regeln und lässt sich voll und ganz gehen. Ein schönes Gefühl.

Das erste Date verläuft ganz typisch auf einem verlassenen Waldparkplatz. Mit einem Sixxer Bier sitzt man im Kofferraum und erzählt sich gleich die schlimmsten Horror Geschichten aus dem jeweiligen Leben. Der Angst trotzt man und begleitet den Mann nach zwei Stunden des Geplänkels nach Hause. Im Wissen, dass er einen Spaten auf seiner Dachbox hat und seine Ex Freundin möglicherweise noch in der gemeinsamen Wohnung sein könnte. Das nenn ich mal mutig und es schreit nach weiteren lustigen Ereignissen.

Bei ihm zu Hause angekommen, bemerken beide, welch großen Hunger sie doch haben. Weder der Kühlschrank, noch die Speisekammer geben Essbares her. Also macht man das erst erdenkliche und läuft nachts um halb eins zu der nächsten Tankstelle und kauft Eier.
Nach dem der Hunger gestillt ist, legt man sich gemeinsam ins Bett und hat Sex miteinander. Das ist ja auch in Ordnung, man kennt sich schließlich schon seit sechs Stunden und es fühlt sich an, wie wenn man sich schon ewig kennt.
Nach dem es langsam wieder hell wird, beschließt man doch nun endlich mal nach Hause zu gehen um sich keine 24 Stunden später wieder zu sehen um das zweite Date zu haben.
Da ist es dann an der Zeit für viele Sex Experimente, Sofa shoppen und eine weitere Runde nächtlichen Rühreis.
Alles voll normal. Denn man kennt sich mittlerweile 60 Stunden und es ist, als ob man sich schon ewig kennt.
Nach dem das zweite Date mehrere Tage dauerte, trifft man sich zum Dritten erst, nach dem man maximal eine Nacht alleine Daheim war. Die Sehnsucht ist schließlich groß und am Anfang ist es ja auch wichtig sich besser kennen zu lernen und den ganzen Gesprächsstoff so schnell wie möglich los zu werden. Außerdem lässt man sich gerne von den sexuellen Bedürfnissen leiten, die ja nun, nach Kennenlernen des Seelenverwandten erst so richtig entflammen.

Die Höhen und Tiefen nehmen in den nächsten vier Wochen seinen Lauf. Ein gemeinsamer Alltag ist entstanden, man freut sich auf den anderen und vergisst sein altes Leben fast gänzlich. Die Gefühle explodieren. Die Schlafphasen sind so kurz wie möglich um soviel Zeit miteinander zu verbringen, wie es nur möglich ist. Beide sind so fasziniert von einander und können nicht genug bekommen.

Irgendwann kommen dann die Fragen. Bei dem einen, meist weiblicheren Part, kommt Fragen wie kann man sich an ihn binden, denn der erste Schritt ist ja nun mal schon getan. Ist das jetzt eine Beziehung mit Zukunft? Wo führt das alles hin und was ist mit den ganzen Pflichten die man eigentlich zu erledigen hat. Aber man vergisst alles Unschöne schnell und träumt weiter die wunderbare Welt der letzten Wochen. Es soll ja auch niemals enden.

Und plötzlich bemerkt man ihn.  Der kleine ständiger Begleiter, der dir jede deiner Beziehungen kaputt macht. Der, der die Gefühle in Gedanken umwandelt und einen irgendwie lähmt. Ein Gedanke, den man einfach nicht ignorieren kann, denn er wächst und macht sich mit allen Mitteln bemerkbar.
Er nennt sich Herr Übersturz. Natürlich auch im männlichen Geschlecht, sagt er dir zuerst soviel Zeit wie möglich mit der neuen Flamme zu verbringen. ,,Man hat sich soviel zu erzählen. Höre auf deine Gefühle. Du willst es doch" Dies sind nur einige seiner Lieblingssätze.
Hört sich ja auch alles ganz wunderbar an. Also hört man auf ihn.

Bis man irgendwann das große Erwachen hat und wieder einmal bemerken muss, dass der kleine hinterlistige Herr Übersturz auch diesmal das Ziel hatte, dem Ganzen erst gar keine Zukunft geben zu lassen.

Man wurde wieder eingeholt von der Realität und der Erkenntnis: ALLES BRAUCH SEINE ZEIT!!!

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